Der Stern wird poliert

Ein Interview mit Daimler-Chef Dieter Zetsche

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Ein Interview mit Daimler-Chef Dieter Zetsche

Seit er Bekanntheit erlangte im Rahmen der „Fusion unter Gleichen“ zwischen der Chrysler Corporation und der ehemaligen Daimler-Benz AG im Jahre 1998 — genauer gesagt einer 36-Milliarden-US-Dollar-Akquisition der ersteren durch die letztere, - zeigte Dieter Zetsche der globalen Automobilindustrie, dass er sich von den Führungskräften in Deutschland abhob.

Als Kind deutscher Eltern in der Türkei geboren, wuchs er in der Nähe von Frankfurt auf und erhielt seinen Abschluss als Elektroingenieur an der Universität Karlsruhe im Jahr 1976. Er erwarb seinen Doktortitel in Maschinenbau im Jahr 1982 von der Universität Paderborn, nachdem er bereits als Ingenieur von Daimler-Benz, dem weltweit ältesten Hersteller von Automobilen , beschäftigt wurde. Schnell machte er über eine Reihe von Ingenieurs- und Führungspositionen Karriere, darunter Stationen in Brasilien und Argentinien. Seine erste Funktion in den USA war die Geschäftsführung eines Betriebes zur Herstellung von schweren Lastkraftwagen, Freightliner.

Als er von Vorstandschef Jürgen E. Schrempp von Daimler die Aufgabe erhielt, die US-Operationen von Chrysler in das neue DaimlerChrysler zu integrieren, erwies sich Zetsche als alles andere als der stereotype starre Oberherr aus Stuttgart mit einer Vorliebe für das Mikromanagement. Freundlich und beliebt, mit einem Talent für gutes Zuhören und Teambuilding, gewann er das Vertrauen und förderte die Zugänglichkeit zwischen den nun internationalen Kollegen. So bestand er darauf, mit anderen deutschen Führungskräften aus Höflichkeit gegenüber amerikanischen Chrysler-Führungskräften Englisch zu sprechen. Für kurze Zeit war eine Cartoon-Figur von ihm, mit seinem Schnurrbart, in „Ask Dr. Z“ Werbespots zu sehen, die die Preisgestaltung von Chrysler-Fahrzeugen bewerben sollte.

Die Fusion, durch die das Produkt- und Verkaufsvolumen von Daimler gesteigert werden sollte, gab Chrysler wiederum Zugang zu Technik und Design des deutschen Unternehmens, das weltweit für seine renommierte Marke Mercedes-Benz bekannt ist. Unter Verwendung von Teilen, die von der E-Klasse von Mercedes übernommen und angepasst wurden, hat Zetsche die Entwicklung neuer Autos, wie die der Chrysler 300 Limousine, vorangetrieben — ein Riesenerfolg. Der mittelgroße Kombi Pacifica hingegen war ein bemerkenswerter Misserfolg.

Das Unternehmen holte Zetsche 2006 nach Deutschland zurück, wo er die Nachfolge von Schrempp, der in den Ruhestand gegangen war, antreten sollte. Vor dem Hintergrund bröckelnder Umsätze in den USA und der Tatsache, dass Chrysler die Hauptlast einer schwächelnden Wirtschaft und eines schwächelnden US-Marktes trug, traf er eine der schwierigsten Entscheidungen seiner Karriere: Den Verkauf von Chrysler an Cerberus, einer Private-Equity-Gesellschaft. Zetsche sah die Gefahr, dass das US-Geschäft in den Konkurs getrieben werden könnte, und damit das gesamte Unternehmen untergehen würde.

Seine vorausschauende Vorsicht bestätigte sich im Jahr 2009, als Chrysler, in Mehrheitsbesitz von Cerberus, Insolvenz nach Chapter 11 anmeldete. Daimler-Aktien stiegen nach der Abwendung der Pleite von Chrysler in schwindelerregende Höhen, und stürzten dann rasant ab, als klar wurde, wie stark die globale Rezession das Automobilgeschäft treffen würde. Der Daimler-Aufsichtsrat wich nicht zurück: Er erneuerte den Vertrag Zetsches als Chief Executive.

Eine der wichtigsten Strategien von Zetsche war es, den Fokus des Unternehmens auf die Entwicklung und Herstellung schöner und attraktiver Autos zu intensivieren, insbesondere einer kompletten Fahrzeugreihe kleinerer und erschwinglicherer Modelle, die eine neue Zielgruppe jüngerer Käufer anziehen könnten. In einem symbolischen Akt der „Rückbesinnung auf das Wesentliche“ verlagerte Zetsche den Sitz von Hunderten von Führungskräften und Managern vom schicken Unternehmenssitz in Stuttgart in den asketischen Fabrikkomplex im benachbarten Untertürkheim.

Das Scheitern der Chrysler-Übernahme noch frisch im Gedächtnis, erforschte Zetsche, 61 Jahre alt, unterschiedliche Governance-Maßnahmen zum Aufbau von Kooperationen mit anderen Automobilherstellern. Deutschlands alte Industriegarde war überrascht, als er im April 2010 eine umfassende strategische Partnerschaft mit der in Paris ansässigen Renault-Nissan-Allianz bekannt gab. Effizienz war das Ziel: Kosten- und Zeiteinsparung durch die gemeinsame Entwicklung von Motoren, Fahrzeugen und Architekturen, darunter ein Auto, das bald als die nächste Generation der Daimler-Smart-Kleinwagen sein Debüt feiern wird, der neue ForFour, der Teile mit dem Renault Twingo teilt und in der Renault-Fabrik hergestellt wird. Ende Juni kündigten Renault-Nissan und Daimler Pläne zur Errichtung eines Joint-Venture-Werks in Mexiko an, um kleine Luxuslimousinen für Infiniti und Mercedes-Benz produzieren zu lassen.

Zetsche traf sich mit dem in Paris ansässigen Regional Market Leader für Global Industrial Markets von KornFerry, Yannick Binvel, sowie dem Briefings Redakteur Doron Levin in seinem Büro in Untertürkheim, um seine Ansichten zum Thema Führung, Motivation innerhalb eines Unternehmens und dem harten globalen Wettbewerb unter den Premium-Automobilherstellern darzulegen.

F: Als Sie dem Unternehmen als junger Ingenieur beitraten, belegte Mercedes-Benz die Spitzenposition unter den Premium-Automobilmarken. Heutzutage muss die Marke gegen BMW, Audi, Lexus und, in den USA, auch einen wieder erstarkenden Cadillac, ankämpfen. Wie beeinflusst dieser brutale globale Markenwettbewerb Ihren Führungsstil?

 

A: Wettbewerb ist das, was den Erfolg antreibt. Ich schätze, es ist einfacher, ein Unternehmen zu führen, wenn es harter Konkurrenz ausgesetzt ist, als wenn Sie ein Monopolist wären. Kurzfristig macht es mehr Spaß, ein Monopolist zu sein. Allerdings braucht man Wettbewerb für nachhaltigen Erfolg, um Dinge in Bewegung zu halten.

F: Die Marke Mercedes-Benz wurde als Premium-Marke für ältere und erfolgreichere Menschen bekannt. Jetzt will und muss Ihr Unternehmen jüngere Käufer anlocken. Können Sie die Rolle des CEO bei der Positionierung der Marke in ihrer neuen Mission erläutern?

A: In jedem Automobilunternehmen ist das Produkt der Schlüssel. Ohne die richtigen Produkte werden Sie keine Chance haben, die Wahrnehmung zu verändern. Es ist unsere Aufgabe, faszinierende Autos zu bauen, in diesem Fall für jüngere Menschen. Sie müssen den Marketing-Ansatz, die Einstellung der Menschen ändern, und das ganze Unternehmen muss hier mitmachen. Sie können nichts erreichen, ohne dass auch Ihre Mitarbeiter Ihr Ziel verfolgen. Aber alles wird durch das Produkt geleitet. Zuerst müssen Sie sicherstellen, dass Sie ein Produkt haben, das die Menschen (im Unternehmen) davon überzeugen wird, ein Wachstum bei jüngeren Kunden anzustreben. Ich habe das Ziel, die [Nr. 1] im Volumen unter den Premium-Marken zu sein, und das kann nur durch Ausweitung des jüngeren Kundenkreises erreicht werden. Das Ziel ist es, Audi und BMW bis 2020 zu übertrumpfen. Die Idee ist es, bessere Autos, mehr Faszination, mehr Träume anzubieten - und die Folge wird sein, dass sich mehr Kunden für die Marke entscheiden. Sie können nichts erreichen, ohne dass auch Ihre Mitarbeiter Ihr Ziel verfolgen. In den frühen 1990er Jahren, als ich die Leitung des Pkw-Bereichs übernahm, gab es viel Frust, nachdem die neue S-Klasse herauskam und in Europa heftig für ihre zu große Größe kritisiert wurde. Das war neu für Mercedes. Um das Ingenieursteam neu zu motivieren, mietete ich das große Veranstaltungszentrum auf der anderen Straßenseite für 10.000 Menschen, ein Ort für riesige Rockkonzerte. Wir bauten eine große Wand und zerstörten sie wieder, um die Notwendigkeit aufzuzeigen, diese Wand unseres blockierten Denkens durchbrechen zu müssen. Diese Aktion10.000 Kollegen zusammen zu bringen, war ein Meilenstein. Da es immer schwieriger wird, Menschen physisch in der ganzen Welt zu erreichen, haben wir ungewöhnliche Dinge unternommen, mehr Internet-basierte Großveranstaltungen, bei denen ich alle Mitarbeiter dazu einlade,Fragen zu stellen. Das ist viel stärker als ein physisches Zusammentreffen.

F: Fusionen haben sich als riskant und meist erfolglos erwiesen. Daimler hat diese Erfahrung gemacht und ging danach eine Allianz, statt einer Fusion, mit Renault und Nissan ein. Können Sie die dahinterstehenden Überlegungen erläutern, und wie Sie den internen Widerstand gegenüber Beziehungen mit Unternehmen, die sonst Ihre Konkurrenten sind, überwunden haben?

A: Wir haben offensichtlich ein prominentes Beispiel für diese Art der Fusion [die nicht funktioniert hat] hinzugefügt. Die Chrysler-Fusion entsprach dem Motto: „Ja, das ist eine tolle Idee; lass uns heiraten und dann Ausschüsse einrichten, um zu entwickeln, was wir zusammen machen werden.“ Aus dieser Partnerschaft haben wir unsere Lehren gezogen. Und wir entwickelten unseren Ansatz neu, da wir immer noch strategische Notwendigkeiten sahen, die wir besser mit einem Partner angehen konnten, wie zum Beispieldie Entwicklung der nächsten Generation des Smart und kleinerer Hubraum-Motoren. Also waren wir auf der Suche nach einem Unternehmen, das in diesen Bereichen aktiv war. So kam es dazu, dass wir nach Gesprächen mit verschiedenen potenziellen Partnern Gespräche mit Renault-Nissan aufnahmen — und der Rest ist Geschichte. Im Falle dieser Allianz gelangten wir über den Inhalt zu ihr und beschlossen, gemeinsam an diesen Themen zu arbeiten. Sollte sich Potential zeigen, würden wir diesen Weg weiter beschreiten. Es ist eine bevorzugte Partnerschaft, aber keine exklusive Partnerschaft. Und es ist eine Partnerschaft von drei völlig unabhängigen Unternehmen, die unabhängig bleiben, aber von Partnerschaften dieser Art profitieren wollen. Bislang funktioniert dies sehr gut.

F: Wie waren Sie und Carlos Ghosn, CEO von Renault und Nissan, in der Lage, diese Partnerschaft zu bilden?

A: Ich war Leiter von Freightliner im Jahr 1992, und Carlos war Leiter von Michelin in den USA. Er lud Kunden von Michelin ein, und so trafen wir uns. Seitdem sind wir in Kontakt geblieben. Natürlich sprachen wir über gemeinsame Interessen. Selbstverständlich gilt: Wenn eine Partnerschaft funktionieren soll, muss sie auf Vertrauen basieren. Vertrauen entsteht in der Interaktion zwischen Menschen und braucht Zeit, um zu wachsen. Es hilft sicherlich, wenn CEOs Vertrauen haben. Man hört zu, erfährt mehr über die andere Seite. Man erfährt, ob man sich trotz Spannungen und Problemen darauf verlassen kann, dass der Partner die Wahrheit sagt. Wenn ja, stellt dies die Weichen für eine erfolgreiche Beziehung. Ansonsten ist dies der Beginn des Scheiterns. Sogar in Ihrem eigenen Unternehmen können Sie ähnliche Phasen durchlaufen. Es gibt Enttäuschungen innerhalb von Unternehmen und zwischen Unternehmen. Zwischen Kulturen und Nationen. Am Ende hängt alles von einfachen Tatsachen ab: Empfinden wir die Gegenseite als offen, verlässlich, vertrauenswürdig? Dies sind die wichtigsten Punkte. Danach geht es um Kompetenz. Die guten Absichten der Gegenseite sind entscheidend.

F: Welche Gründe sehen Sie heute für das Scheitern, nachdem die Fusion mit Chrysler hinter Ihnen liegt und Sie etwas Abstand gewonnen haben?

A: Aus technischer Sicht war Daimler damals ein Hersteller von Premium- und Luxusautos. Die Stärke von Chrysler lag vor allem im Leicht-Lkw-Geschäft (Jeep, Pickups und Minivans) in Nordamerika. Es gab sehr wenig Überschneidungen und Gemeinsamkeiten, obwohl Mercedes die M-Klasse in Nordamerika verkaufte und Chrysler einige Kleinwagen in Europa absetzen konnte. Die Zusammenführung dieser beiden Unternehmen schuf keinen Mehrwert. Am Anfang dachten wir, der Mangel an Gemeinsamkeiten wäre ein Vorteil. Wir sagten: „Das ist gut. Wir müssen niemandem kündigen.“ Der Nachteil jedoch war eine komplexere Organisation. Diese schuf Belastungen ohne Nutzen. Wir dachten, dass es möglich sein sollte, den Wert der Marke Chrysler im Auto-Geschäft zu steigern, um der Marke größeres Gewicht zu verschaffen und höhere Preise im Vergleich zu den anderen US-Marken verlangen zu können. In fünf bis sechs Jahren konnte dies nicht nachweislich erreicht werden; wir konnten keine Preise in der Premium-Sphäre verlangen.

F: Bitte erläutern Sie die Grundlagen der neuen CLA-Klasse von Mercedes-Benz, eines Autos, dessen Einzelhandelspreise in den USA bei weniger als 30.000 USD beginnen, eines Preissegments, das in der Regel mit dem Toyota Camry in Verbindung gebracht wird. Was sind die Faktoren, die die Schaffung dieses Modells angetrieben haben, und wie kann dieser Erfolg gemessen werden?

A: Mit diesem neuen Produkt und dieser neuen Preisgestaltung haben wir die Möglichkeit, dem Kunden den Einstieg beiMercedes-Benz ohne Beeinträchtigung der Marke zu erleichtern. Um dies zu erreichen, war es wichtig, kein günstiges oder „me-too“-Produkt hervorzubringen, sondern ein emotionales Auto, das nicht durch Funktionalität angetrieben wird. Design war daher Priorität Nr. 1, und ich denke, das wird vom Kunden auch so gesehen. Als Ergebnis haben wir einen Kundenzuwachs von Nicht-Mercedes-Benz-Modellen von 80 Prozent. Die Kunden von CLA sind 10 Jahre jünger als der durchschnittliche Mercedes-Benz-Käufer. Genau das wollten wir erreichen, aber wir wurden von dem Ausmaß unseres aktuellen Erfolgs überrascht. Als wir unsere A-Klasse einführten, wurde sie anfangs als zu progressiv kritisiert und Kritiker sagten, dass wir subtiler sein müssten. Wir sagten: „Nein, wir müssen neue Kunden ansprechen, und deshalb müssen sie uns sehen. Wir gewinnen derzeit Auszeichnungen für Top-Design.“ Der entscheidende Punkt ist, dass Kinder auf dem Schulhof nun über Mercedes als „cool“ reden. Eine ganze Weile waren andere Marken cool, und wir eine Altherren-Marke. Es braucht Zeit, eine Eigendynamik aufzubauen. Wichtig war, Mercedes-Benz im Vergleich zu früher zu verändern, und zwar in einer ausgewogenen Weise. Viele sind der Meinung, dass wir es mit der neuen S-Klasse geschafft haben. Wir erreichten dies mit einer Markenerweiterung, die nicht zu weit von unserem Kern entfernt liegt.

F: Als Sie aus den USA nach Deutschland zurückgekehrten, um im Jahr 2006 Vorstandschef zu werden, rüttelten Sie die Kultur der Zentrale auf, indem Sie Hunderte von Top-Führungskräften von einem hervorragenden Standort in den Hauptfabrikkomplex umsiedelten. Warum?

A: Früher hatten wir eine schöne Zentrale 16 km von hier entfernt. Sie war wie ein Campus, weit weg von unseren Produkten. Ich hatte ein Zimmer dort, allerdings nie mein Hauptbüro. Auch wenn der Ort viel schöner war, denke ich, dass es viel wichtiger ist, jeden Tag ins Büro zu kommen und zu erkennen, dass dies eine Autofirma ist, dass es um Anlagen geht, um Pressen, die den Boden zum Beben bringen, und nicht nur um Papier. Dies war natürlich symbolisch. Wir verkauften das Gebäude und mieteten den Raum für unsere Vertriebsorganisation zurück. Ich glaube immer noch, dass dies wichtig war und der richtige Schritt.

F: Nachdem Sie als Führungskraft viel Zeit in den USA verbrachten haben, können Sie uns die Unterschiede zwischen globaler Unternehmensführung nach dem „Euro-Stil“ und der Unternehmensführung nach dem „US-Stil“ aufzeigen?

A: Natürlich gibt es viele Stereotypen. Ich kam im Jahr 1991 als Leiter von Freightliner in die USA. In Deutschland war ich ein Top-Management-Team gewöhnt, das Ideen hervorbrachte, viele Gespräche führte und sich einem langen Prozess unterzog, bevor eine Entscheidung getroffen wurde. Als ich neu bei Freightliner war, und ein Thema diskutiert werden sollte, sagte ich: „Vielleicht könnten wir ...“ und sofort sagten alle: „Ja, Sir.“ Die Erfahrung war ähnlich wie bei Chrysler: “The buck stops here” (etwa: Die Verantwortung liegt letztendlich beim Chef). Die USA waren mehr top-down, mehr CEO-getrieben, und es wurde als Teil des Entscheidungsprozesses weniger hinterfragt als in Deutschland. Ich denke, dass in vielen Fällen ein Mittelweg das Beste ist. In den USA gibt es ein Vorstandsgremium, jeder ist für alles verantwortlich. Deutsche, börsennotierte Unternehmen haben qua Gesetz eine zweischichtige Struktur– Aufsichtsrat und Geschäftsführung, interne und externe Direktoren. Die Geschäftsleitung hat eine gegenseitige Verantwortung, was mehr Konsens erfordert. Das ist die Vorgabe, aber alles hängt natürlich immer von Einzelpersonen ab.

F: Daimler hält eine 4,3-prozentige Beteiligung an Tesla. Man hört, Sie seien daran interessiert, diese Beziehungen zu vertiefen. Würden Sie bitte die Bereiche der Zusammenarbeit bei Elektrofahrzeugen definieren, die Sie für beide Partner als am profitabelsten ansehen?

A: Wir haben eine bestehende Kooperation. Im Smart-Elektroantrieb haben wir Tesla-Batterien. Die neue B-Klasse mit Elektroantrieb wird mit einem Tesla-Antriebsstrang ausgestattet sein. Das Tesla Model S verfügt über eine Menge von unserem Knowhow. Ich will unserem Unternehmen nicht den Erfolg des Model S zuschreiben, aber es gibt eine sehr gute Beziehung und einen intensiven Gedankenaustausch. Es ist eine Zwei-Richtungs-Kooperation. Wir werden sehen, ob und wie wir das weiterentwickeln können.

F: In Ihrer aktuellen Aktionärsansprache verwenden Sie die Begriffe „Beharrlichkeit“ und „Entschlossenheit“, und unterstreichen, dass sich Entschlossenheit auszahlt. Können Sie dieses Konzept mit Ihren Sichtweisen in Bezug auf Führung, die Entwicklung künftiger Führungskräfte und Unternehmenswerte in Verbindung bringen?

A: Ich denke, das geht mit Nachhaltigkeit Hand in Hand. Man sollte nicht glauben, dass man Dinge ständig ändern kann. Man hat eine langfristige Strategie und verfolgt diese in einer bestimmten Art und Weise. Das heißt aber nicht, dass man stur sein sollte und sich nicht korrigiert, wenn man einen Fehler gemacht hat. Man braucht eine Schlüsselidee, und kann sich auf diese konzentrieren und sie in einer bestimmten Art und Weise verfolgen. Diese Entschlossenheit muss mit der Motivation und Überzeugung des gesamten Teams einhergehen, dass dies in die richtige Richtung geht. Selbst Nobelpreise werden nicht mehr von Personen gewonnen, sondern sind das Produkt von Teams. Gerade in einem Automobil-Unternehmen muss diese gesamte Gruppe von 275.000 Mitarbeitern miteinander arbeiten. Teamwork und soziale Kompetenz sind extrem wichtig. Deshalb verfügen wir über einen gut entwickelten Führungsprozess, die so genannte Leitung (Lead). Im ersten Schritt Ihrer Karriere in der Führungsebene werden Sie häufig von einer Reihe von Menschen nach Kernwerten und Führungsgrundsätzen bewertet. Wenn Sie dem Unternehmen beitreten, durchlaufen Sie ein Assessment-Center, das nicht so sehr auf Wissen, sondern auf sozialen Fähigkeiten basiert. Zu Anfang muss man einen Bewertungstest bestehen, um in eine Führungsposition zugelassen zu werden. In der Vergangenheit wurde der beste Designer für Vorderachsen befördert, um Vorder- und Hinterachsen zu entwerfen. Das ist nicht gut genug. Heute müssen Sie diese Assessment-Center durchlaufen und beweisen, dass Sie über mehr Bescheid wissen als Achsen. Es geht auch darum, wie Ihre Kollegen Sie bewerten. Dies ist ein ziemlich gut entwickeltes Verfahren, und wir wollen sicherstellen, dass wir über die bestmöglichen Führungskräfte verfügen, da diese den Erfolg eines Unternehmens auf lange Sicht beeinflussen.

Vier schnelle Fragen

F: Ihr Schnurrbart hat sich zu Ihrer Unterschrift entwickelt, zumindest in Bezug auf Ihr Aussehen. Warum haben Sie ihn angenommen, und gab es Zeiten, in denen Sie ihn überdacht oder sich von ihm getrennt haben?

A: Ich habe ihn nicht angenommen, er ist einfach gewachsen. Ich habe ihn, seit ich 16 oder 17 Jahre alt war, und nie darüber nachgedacht. Manchmal auch einen Vollbart. Er ist — wie ein kleiner Finger — ein Teil von mir.

F: Welche Bücher können wir in diesen Tagen auf Ihrem Nachttisch finden?

A: John Irving ein Autor, den ich immer gerne gelesen habe.

F: Was glauben Sie, wann und unter welchen Umständen autonome Autos auf die Straße kommen werden?

A: Völlig autonom? Bis Ende des Jahrzehnts werden wir halb-autonome und hoch autonome Funktionen auf bestimmten Straßen sehen, wie auf der Autobahn oder in bestimmten Situationen, wie beim Parken. Und Sie können sich sicher sein, dass es ein Mercedes sein wird; und er wird in der ganzen Welt zu kaufen sein.

F: Ihre Lieblings-Urlaubsorte oder Methoden zur Entspannung?

A: Segeln. Auf dem Mittelmeer oder in der Karibik.

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